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Ethnopsychotherapie
Dieses Buch "Ethnopsychotherapie" behandelt Heilungsverfahren, besonders Psychotherapieformen
verschiedener Kulturen. Es beschäftigt sich also mit einem speziellen Teil der interkulturell
vergleichenden, transkulturellen Psychiatrie und Psychologie.
Die Idee dazu entstand in vielen Diskussionen der Herausgeber über aussergewöhnliche
Bewusstseinzustände ABZ ("non-ordinary states of consciousness") bzw. veränderte
Wachbewusstseinszustände VWB ("altered states of consciousness").
Eine nähere Beschäftigung mit diesem Gegenstand ohne Berücksichtigung indigener Kulturen ist
nicht möglich. In diesen Kulturen erfolgt die institutionalisierte Erzeugung von ABZ in der
Regel in dem kaum trennbaren Komplex von Religion, Magie und Heilbehandlung vor allem
psychischer uder psychosomatischer Störungen. Psychotherapie mittels aussergewöhnlicher
Bewusstseinszustände findet sich aber auch in westlichen Psychotherapieformen — wobei diese
z.T. sogar mehr oder weniger dirket aus indigenen Verfahren erwachsen sind, ähnlich wie viele
westliche Medikamente ihren Ursprung in der indigenen oder früheren westlichen Verwendung
bestimmter Heilpflanzen haben. Unter solchen Gesichtspunkten erscheint es sinnvoll, indigene
und westliche Psychotherapieformen in einem Band zusammenfassend gegenüberzustellen. Die
Autorinnen und Autoren dieses Bandes — aus den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen
wie Ethnologie und Anthropologie einerseits, Psychiatrie, Psychologie und Biochemie andererseits —,
die wir zur Teilnahme eingeladen haben, sind darauf durchweg mit Enthusiasmus eingegangen. Sie
haben speziell für dieses Buch eine Arbeit verfasst, in der sie z.T. jahrzehntelange eigene
Forschungen referieren. Wir möchten ihnen auch an dieser Stelle sehr danken.
Das Buch gliedert sich in drei Teile: Im ersten Teil werden Grundlagen dargestellt. Es wird
zunächst eine Übersicht über wichtigere Verfahren zur Auslösung von veränderten Bewusstseinszuständen
gegeben. Danach wird die Frage behandelt, ob aussergewöhnliche Bewusstseinszustände unabhängig von
der Art ihrer Entstehung im Kern etwas Invariantes gemeinsam haben und wie dieses im Einzelnen
aussieht. Bedingungsspezifische Phänomene und die Modifikation von aussergewöhnlichen
Bewusstseinszuständen durch kulturelle Faktoren werden erwähnt.
Im zweiten Teil werden Beispiele für indigene Heilbehandlungen mittels aussergewöhnlicher
Bewusstseinszustände und die ihnen zugrundeliegenden Krankheitskonzepte gegeben. Geographisch
umfasst die Spannweite indigene Kulturen auf dem gesamten amerikanischen Kontinent, in der Karibik,
in Äquatorial-Westafrika und in Asien. Eingebettet in die jeweiligen indigenen Heilrituale wird
die Verwendung von "heiligen Pflanzen", Meditation, Yoga, Hypnose, "Reizüberflutung" sowie weiterer
Techniken zur Auslösung von aussergewöhnlichen Bewusstseinszuständen betrachtet.
Der dritte Teil beschäftigt sich schliesslich mit der Verwendung von aussergewöhnlichen
Bewusstseinzuständen in der westlichen Psychotherapie. Diskutiert wird zunächst der Gebrauch von
Halluzinogenen in der psycholytischen und psychedelischen Therapie. Danach werden
Psychotherapieformen besprochen, bei denen Reizentzug im weitesten Sinne eine Rolle spielt. Hierher
gehören diejenigen durch "herabgesetzte Umweltstimulation", autohypnotische Verfahren wie
Meditationstechniken und das katathyme Bildererleben wie auch manche Formen der Heterohypnose. Die
Entstehung einer westlichen Psychotherapieform aus indigenen Verfahren wird besonders deutlich im
Kapitel über die Verwendung von Reizüberflutung.
Ferdinand Enke Verlag, 1987 (ISBN 3-432-95901-X)
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